Artikel vom 15.02.2024
MU-Bezirksverband Oberbayern
Mittelstand schlägt Alarm - „Die Lage im Mittelstand ist dramatisch“
„HEUTE sagt der Mittelstand was zu tun ist. Schluss mit falschen Prioritäten!“ Mit diesen Worten begrüßte der Bezirksvorsitzende der Mittelstands-Union Oberbayern (MU) Dr. Thomas Geppert die über 150 Gäste im vollbesetzten Kursaal am 31. Januar in Bad Aibling. „Wir sind stolz auf unseren Mittelstand – unsere Betriebe vom Landwirt bis zum Handwerker prägen nicht nur unsere Städte und Dörfer, sie machen unseren Sozialstaat überhaupt erst möglich. Was über Jahre schleichend an Belastungen und Auflagen neu dazu kam, wird durch die aktuelle Bundesregierung in einem Tempo übertroffen, wie es nur schwer vorstellbar ist. Die Lage im Mittelstand ist dramatisch, die Stimmung schlecht“, so Geppert.
Die Bauernproteste haben das Fass nur zum Überlaufen gebracht. Es geht längst nicht mehr nur um die Bauern und den Agrardiesel. Es geht um Wirte, Metzger, Bäcker, Spediteure, Handwerker, kurzum um den gesamten Mittestand und die Mittelschicht. Der Tenor des Abends ist klar: es ist Zeit für überfällige Reformen, um die Betriebe resilienter und somit fit für Krisen zu machen: „Wir brauchen die Möglichkeit einer Wochenarbeitszeit durch eine gesetzliche Arbeitszeitflexibilisierung. Das kostet keinen Cent. Es geht auch nicht um Mehrarbeit, sondern um eine bessere Verteilung der Arbeitsleistung. Warum denken wir denn eigentlich immer nur an homeofficefähige Berufe?“ so Geppert: „Der Wunsch nach mehr Flexibilität kommt in hohem Maße von den Mitarbeitern, zugleich hilft er den Betrieben. Wir haben mit unserem, in Europa einmaligen, Mittelstand einen unglaublichen Schatz, den wir pflegen müssen und nicht immer weiter gängeln. Wir brauchen ein Klima, das Lust auf Unternehmertum schafft“. Stattdessen werden unsere Betriebe erdrückt von Vorschriften – man ist mittlerweile so im Unternehmertum eingeschränkt und von Fesseln umgeben, dass das, was uns stark macht, der kleinteilige, meist familiengeführte Mittelstand ernsthaft in Gefahr ist, weil einem auch die Möglichkeit zu phantasievollen Lösungen genommen werden. Respekt und die Achtung vor unternehmerischer Verantwortung kommen in unserer Gesellschaft leider oftmals viel zu kurz.
Um auch in Zukunft erfolgreich zu sein brauchen wir ein Umdenken in der Politik. Es braucht ein Klima, das Lust auf Unternehmertum schafft und die Wirtschaft stimuliert. Statt ständiger Mehrbelastungen braucht es endlich steuerliche Entlastungen. Der Staat hat mit knapp 1.000 Milliarden Euro kein Einnahmeproblem! Durch Anreize zum Arbeiten insbesondere auch bei der Einkommensteuer könnte man Abhilfe beim Mitarbeitermangel schaffen. „Bei den Menschen muss netto mehr ankommen. Doch das Gegenteil passiert. Vermögensteuer, Erbschaftsteuer schwächen Familienbetriebe, schwächen die Leistungsträger, schwächen die Mittelschicht“, so Geppert.
In kurzen Impulsen schilderten Branchenvertreter aus dem Landkreis Rosenheim die dramatische Situation, die Probleme und Herausforderungen und brachten konkrete Lösungsvorschläge vor. Darunter der Kreisobmann für Rosenheim im Bayerischen Bauernverband Sepp Andres, der sich freut, dass die Landwirte nicht allein sind, sondern dass die Bevölkerung und der Mittelstand hinter ihnen stehen. Konkret fordert er die vollständige Rücknahme der Belastungen durch die Bundesregierung. Der Kreishandwerksmeister Rudolf Schiller freut sich zwar über viel Arbeit in der Region, fordert allerdings, dass die Betriebe nicht mit Auflagen und Verordnungen geknebelt werden. Die Kreisvorsitzende des DEHOGA Bayern Theresa Albrecht fordert neben der Rücknahme der Steuererhöhung auf Speisen, eine längst überfällige Wochenarbeitszeit und Lösungen für den Mitarbeitermangel. Albrecht: „Wir brauchen die steuerliche Gleichbehandlung mit Lieferdiensten und To Go so wie es in 23 EU-Staaten der Fall ist“. Der Obermeister der Bäcker-Innung Rosenheim Florian Steffl, fordert, dass bei den Mitarbeitern mehr vom Gehalt ankommt. Dazu müssen steuerliche Entlastungen und Anreize geschaffen werden. Der Obermeister der Metzger-Innung Hubert Lohberger fordert Entlastungen für die handwerklichen Metzgerbetriebe. „Auflagen dürfen das Handwerk nicht kaputt machen.“Der Vizepräsident des Landesverbandes der Bayerischen Transport- und Logistikunternehmen Wolfgang Anwander stellte die Bedeutung seiner Branche klar:„Transport- und Logistikunternehmen sind das Blut im Kreislauf der Wirtschaft!“
Alle Branchenvertreter sind sich einig: es braucht einen Kurswechsel in Berlin. Es braucht Wertschätzung gegenüber dem Mittelstand. Statt Politikphrasen endlich konkrete Maßnahmen. Die Menschen aus der Praxis kennen die Probleme ganz genau und wissen was geändert werden muss. Jeder Branche hat spezifische Probleme, doch es gibt eine große gemeinsame Klammer an überfälligen Maßnahmen. Die stetig steigenden Bürokratielasten gehören definitiv dazu, so Geppert: „Betriebe verbringen immer mehr Zeit nur mit der Erfüllung der ihnen auferlegten bürokratischen Belastungen. Gerade in kleineren und mittleren Betrieben ist der dafür erbrachte zeitliche Aufwand für die Ermittlung der geltenden Normen und die Erfüllung sehr hoch und fehlt für die eigentliche Betriebsführung.“ Trotz Ankündigung eines Bürokratieabbaus seitens der Politik kommen jährlich weitere Bürokratielasten hinzu. Allein im Jahr 2023 sind u.a. das Hinweisgeberschutzgesetz, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und viele weitere bürokratische Hürden hinzugekommen. Die Tendenz ist steigend. Um den Mittelstand spürbar von Bürokratie zu entlasten, ist es erforderlich bestehende Regelungen zu streichen bzw. zu ändern. Für jede neu eingeführte Regelung sollten zwei bestehende Regelungen gestrichen werden. Es darf zudem keine Übererfüllung von EU-Regelungen durch den deutschen Gesetzgeber (Bsp.: DSGVO) geben und staatliche Pflichten dürfen nicht immer auf Betriebe übertragen werden (Bsp.: Dokumentation bei Lebensmittelkontrollen). Geppert: „Hier darf sich die Politik nicht auf dem Rücken der Betriebe entlasten.“
Die konkreten Reformvorschläge und Maßnahmen werden nun in einem Forderungspapier zusammengefasst, so der Bezirksvorsitzende Geppert. „Wir lassen nicht locker und kämpfen für unseren Mittelstand! Der Mittelstand braucht Unterstützer! Es braucht Botschafter! Die Mittelstands-Union ist so ein Botschafter.“ Der erste Bürgermeister der Stadt Bad Aibling Stephan Schlier betonte die Unterstützung der Wirtschaft gerade auch auf kommunaler Ebene. Auch hier müsse man auf Entlastung und attraktive Rahmenbedingungen achten und dürfe den Betrieben nicht Steine in den Weg legen.